Amnezie colectivă şi sentinţe în doi peri
Deutsche Welle, 31.07.2008: Richard Wagner deplânge recăderea României „în amnezie colectivă şi absenţa consecinţelor morale ale deconspirării” foştilor turnători şi securişti, absenţă, ale cărei urmări sunt catastrofale pentru democraţie, devreme ce o lasă fără valori şi deci fără putinţa de a se apăra.
În mod interesant, Cărtărescu figurează şi în articolul publicat de Wagner în ziarul catolic “Die Tagespost” din Würzburg. Scriitorul german îi reproşează colegului său român imixtiunea în dezbaterea privindu-i pe Corbea şi Antohi printr-un articol tinzând spre împăciuitorism, care “conţine suma tuturor confuziilor marcând spaţiul public românesc”.
Wagner relevă că ciracii securităţii au turnat şi au spionat făcând rău altor oameni pentru a obţine “avantaje personale, precum călătorii în străinătate şi cariere, iar nu din convingere”.
Scriitorul de origine bănăţeană critică elogierea, în tonuri ditirambice, de către Cărtărescu, pe criterii profesional-intelectuale, a celor doi foşti informatori şi mai cu seamă includerea lor într-o serie de foşti adepţi iluştri ai nazismului, precum Heidegger, Hamsun, Ezra Pound, Celine şi Drieu La Rochelle.
Ceea ce, potrivit autorului german e “scandalos”. Fiindcă “nu ştiu ca vreunul dintre aceştia să fi fost informatorul Gestapoului”, toţi manifestându-şi “erorile imense în mod deschis şi public”.
Or, în cazul turnătorilor “acţionînd în taină”, (în beneficiu propriu) şi “în serviciul aparatului represiv”, activitatea lor “n-a fost una politică. Ci, o faptă criminală”, conchide sec, dar clar şi la obiect, Richard Wagner. (Petre M. Iancu)
În mod interesant, Cărtărescu figurează şi în articolul publicat de Wagner în ziarul catolic “Die Tagespost” din Würzburg. Scriitorul german îi reproşează colegului său român imixtiunea în dezbaterea privindu-i pe Corbea şi Antohi printr-un articol tinzând spre împăciuitorism, care “conţine suma tuturor confuziilor marcând spaţiul public românesc”.
Wagner relevă că ciracii securităţii au turnat şi au spionat făcând rău altor oameni pentru a obţine “avantaje personale, precum călătorii în străinătate şi cariere, iar nu din convingere”.
Scriitorul de origine bănăţeană critică elogierea, în tonuri ditirambice, de către Cărtărescu, pe criterii profesional-intelectuale, a celor doi foşti informatori şi mai cu seamă includerea lor într-o serie de foşti adepţi iluştri ai nazismului, precum Heidegger, Hamsun, Ezra Pound, Celine şi Drieu La Rochelle.
Ceea ce, potrivit autorului german e “scandalos”. Fiindcă “nu ştiu ca vreunul dintre aceştia să fi fost informatorul Gestapoului”, toţi manifestându-şi “erorile imense în mod deschis şi public”.
Or, în cazul turnătorilor “acţionînd în taină”, (în beneficiu propriu) şi “în serviciul aparatului represiv”, activitatea lor “n-a fost una politică. Ci, o faptă criminală”, conchide sec, dar clar şi la obiect, Richard Wagner. (Petre M. Iancu)
Herta Müller, die rumänischen Intellektuellen und die Securitate
vom 31.07.2008
Von Richard Wagner
Was passiert, wenn eine politisch integre Schriftstellerin sich öffentlich darüber beklagt, dass Wissenschaftler mit zweifelhafter kommunistischer Vergangenheit ihr Geburtsland Rumänien in Berlin repräsentieren? Ihr wird nicht Beifall geklatscht, sondern es wird Buh gerufen. Verkehrte Welt.
Wer sich erinnert, sucht das Gute. Er sucht es auch im Bösen, das er findet. Sorin Antohi, ein rumänischer Historiker, hat einen ausführlichen Bericht über seine Securitate-Akten veröffentlicht. Er beschreibt darin detailliert seine Anwerbung als Schüler und diverse Querelen einer wechselvollen Tätigkeit in den Fängen des kommunistischen Geheimdienstes Rumäniens. Trotz aller Detailfreude schafft er es auf 19 Seiten, keinen einzigen seiner Informanten-Berichte zu zitieren. Nach der Lektüre des Briefes ist man umfassend belehrt, aber kaum informiert. So dass das Mea Culpa am Schluss des Textes ganz im Sinn des Autors in Frage gestellt ist.
Antohis Brief erschien 2006 in der Bukarester Zeitschrift „22“, dem Sprachrohr der in den Neunzigern führenden Intellektuellen-„Gruppe für den sozialen Dialog“, deren Gründungsmitglied er war. Die Diskussion, die sich an die Publikation anschloss, erwies sich umgehend als Sturm im Wasserglas. Und das war wohl auch das unausgesprochene Ziel des Betroffenen: Sich aus der Schusslinie zu nehmen, in die er sich selbst gebracht hatte. Denn aktiv wurde die rumänische nationale Amt zur Aufarbeitung der Securitate-Archive CNSAS von Amts wegen erst, als Antohi einer Kommission beitrat, die via Expertenrat den Kommunismus symbolisch verurteilen sollte. Antohi aber kam der offiziellen Verlautbarung über seine Informanten-Tätigkeit durch seinen Brief zuvor. Sein Bekenntnis hatte zur Folge, dass seine Akte nicht mehr publiziert wurde. So haben wir zwar sein Geständnis, aber keine Beweise. So wie wir die Erklärung der Kommission über den Kommunismus haben, ohne dass seine tatsächliche Aufarbeitung all zu weit gediehen wäre.
Nehmen wir zwei Institutionen, deren Tätigkeiten den Demokratisierungsstand Rumäniens anschaulich machen: Das Kulturinstitut „Titu Maiorescu“, eine Art Goethe-Institut, mit kulturpolitischem Imageauftrag, und das CNSAS, das die Akten des kommunistischen Geheimdienstes aufarbeiten soll, und das bei seiner späten Gründung 1999 immerhin die Gauck-Behörde zum Vorbild hatte.
Das Programm einer Tagung des rumänischen Kulturinstituts, die vergangene Woche in der Berliner Niederlassung stattfand, enthüllte leider eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Einrichtungen: Zwei der Vortragenden zum Thema „Deutschland und Rumänien. Akademische, kulturelle und ideologische Transfers“ sind notorisch bekannte, ehemalige inoffizielle Mitarbeiter, also Spitzel, der Securitate. Es handelt sich, außer dem bereits genannten Historiker Sorin Antohi, um den Germanisten Andrei Corbea-Hoisie.
Antohi fungierte sogar als einer von drei Initiatoren der Veranstaltung. Der Mann, der seine Spitzeltätigkeit so lange verheimlichen konnte, lehrte zuletzt an der Budapester Zentral-Europa-Universität, einer Soros-Gründung. Antohi war sogar im Direktorium der Stiftung. Als er seine Geschichte als Spitzel „Valentin“ preisgab, kam zutage, dass der Philosoph Horia-Roman Patapievici, der bis 2005 Mitglied des Direktoriums der Archivbehörde war, bereits seit 2002 von der geheimen Vergangenheit des Antohi wusste. Der aber zählte zum eigenen politischen Lager und so schwieg man vorerst. Patapievici ist heute der Leiter der Zentrale des rumänischen Kulturinstituts in Bukarest.
Das aber ist noch nicht die ganze Geschichte. Kurz nach der Selbst-Enttarnung Antohis kam heraus, dass er einen Doktortitel führte, den er nie erworben hatte, jedenfalls nicht an dem Ort, den er angibt, die Universität Jassy.
„Man hat in Rumänien mit der Aufarbeitung der Vergangenheit kaum begonnen und schon fällt man zurück in die kollektive Amnesie. Wenn aber die Enttarnung nur eine Pflichtübung ist und moralisch folgenlos bleibt, so ist es keine gute Zeit für die Demokratie“
Der zweite Vortragende, Andrei Corbea-Hoisie, Germanist und Herderpreisträger des Jahres 1998, Bukowina-Kenner und Celan-Exeget, war zuletzt Botschafter Rumäniens in Wien. Dort hat er, nach seinem unfreiwilligen Rücktritt vom Diplomatenposten, eine Gastprofessur inne. Der vielseitige Mann, der in den Jahren der Ceausescu-Diktatur einen Sonderstatus genoss, der ihm zahlreiche Auslandsreisen erlaubte, war ebenso für den Geheimdienst Securitate tätig. Unter dem Mitarbeiternamen „Horia“ hat er die intellektuelle Opposition in Jassy bespitzelt. Zu den Betroffenen gehört auch der prominente Literaturkritiker und Regimegegner Dan Petrescu, an dessen vom Geheimdienst betriebener Diskreditierung Corbea-Hoisie beteiligt war: Man versuchte den unbequemen Liberalen Petrescu als Rechtsextremisten zu diffamieren.
Dass die Tagung trotz der Proteste im Vorfeld, beginnend mit einem offenen Brief der Schriftstellerin Herta Müller an den Leiter der Institutszentrale in Bukarest, Horia-Roman Patapievici, von der Bespitzelungs-Thematik absehen konnte, hat nicht zuletzt mit der Einstellung der daran beteiligten deutschen Professoren zu tun, allen voran der Historiker Jörn Rüsen, dem es ein Leichtes war, nachsichtige Worte zu finden.
Man hat in Rumänien mit der Aufarbeitung der Vergangenheit kaum begonnen und schon fällt man zurück in die kollektive Amnesie. Wenn aber die Enttarnung nur eine Pflichtübung ist und moralisch folgenlos bleibt, so ist es keine gute Zeit für die Demokratie. Diese bleibt, ohne verbindliche Werte, wehrlos.
Die von Herta Müller angestoßene Debatte beschäftigt mittlerweile auch die Bukarester Medien. Das Kulturinstitut selbst betreibt dabei eine eher nichtssagende Politik der Selbstverteidigung. Sein Leiter, Horia-Roman Patapievici, redet sich zum einen mit der angeblich fehlenden gesetzlichen Handhabe heraus, zum anderen stellt er den Moralanspruch der Kritiker in Frage. „Was sollen wir, die ohne Sünde sind, mit ihnen, den Sündern, bloß tun?“ heißt es in seiner Antwort auf den Offenen Brief von Herta Müller.
„Die Spitzeltätigkeit gründete ja wohl nicht auf Überzeugung, sondern auf der Bereitschaft für persönliche Vorteile, wie Auslandsreisen und akademische Karrieren, anderen Menschen zu schaden. Das ist im übrigen die Essenz der IM-Tätigkeit. Es handelt sich dabei nicht um eine politische Aktivität, sondern um eine kriminelle Tat“
Eingemischt hat sich nun auch der Schriftsteller Mircea Cartarescu, dessen jüngst auf deutsch erschienener Roman „Die Wissenden“ von der Kritik viel Lob erhielt. Sein zur Versöhnlichkeit neigender Artikel zur Spitzelaffäre aus der Bukarester Tageszeitung „Evenimentul zilei“ enthält die Summe der Missverständnisse, die die rumänische Öffentlichkeit prägen. Cartarescu spricht in höchsten Tönen von der fachlichen Meisterschaft der beiden ehemaligen Informanten. Der eine habe ein fundamentales Buch über die Utopie verfasst, der andere sei ein großer Germanist, und sogleich folgt die Behauptung, Moral und Intellektuellenleistung gingen selten zusammen. Und dann passiert etwas Erstaunliches. Cartarescu nennt als Beispiele für seine These: Heidegger, Hamsun, Ezra Pound, Celine und Drieu la Rochelle.
Das ist ein Skandal. Ich wüsste nicht, dass auch nur einer von diesen jemals Informant der Gestapo gewesen wäre. Sie haben ihre politischen Ansichten vielmehr öffentlich geäußert, für jeden sichtbar und zugänglich. Sie haben sich gewaltig geirrt, aber sie haben sich öffentlich geirrt und mussten sich dafür auch verantworten.
Wie aber kann man sie mit Antohi und Corbea vergleichen, die ihre Tätigkeit im Auftrag eines Repressionsapparats im Geheimen und Verborgenen ausführten? Diese gründete ja wohl nicht auf Überzeugung, sondern auf der Bereitschaft für persönliche Vorteile, wie Auslandsreisen und akademische Karrieren, anderen Menschen zu schaden. Das ist im übrigen die Essenz der IM-Tätigkeit. Es handelt sich dabei nicht um eine politische Aktivität, sondern um eine kriminelle Tat.
Was passiert, wenn eine politisch integre Schriftstellerin sich öffentlich darüber beklagt, dass Wissenschaftler mit zweifelhafter kommunistischer Vergangenheit ihr Geburtsland Rumänien in Berlin repräsentieren? Ihr wird nicht Beifall geklatscht, sondern es wird Buh gerufen. Verkehrte Welt.
Wer sich erinnert, sucht das Gute. Er sucht es auch im Bösen, das er findet. Sorin Antohi, ein rumänischer Historiker, hat einen ausführlichen Bericht über seine Securitate-Akten veröffentlicht. Er beschreibt darin detailliert seine Anwerbung als Schüler und diverse Querelen einer wechselvollen Tätigkeit in den Fängen des kommunistischen Geheimdienstes Rumäniens. Trotz aller Detailfreude schafft er es auf 19 Seiten, keinen einzigen seiner Informanten-Berichte zu zitieren. Nach der Lektüre des Briefes ist man umfassend belehrt, aber kaum informiert. So dass das Mea Culpa am Schluss des Textes ganz im Sinn des Autors in Frage gestellt ist.
Antohis Brief erschien 2006 in der Bukarester Zeitschrift „22“, dem Sprachrohr der in den Neunzigern führenden Intellektuellen-„Gruppe für den sozialen Dialog“, deren Gründungsmitglied er war. Die Diskussion, die sich an die Publikation anschloss, erwies sich umgehend als Sturm im Wasserglas. Und das war wohl auch das unausgesprochene Ziel des Betroffenen: Sich aus der Schusslinie zu nehmen, in die er sich selbst gebracht hatte. Denn aktiv wurde die rumänische nationale Amt zur Aufarbeitung der Securitate-Archive CNSAS von Amts wegen erst, als Antohi einer Kommission beitrat, die via Expertenrat den Kommunismus symbolisch verurteilen sollte. Antohi aber kam der offiziellen Verlautbarung über seine Informanten-Tätigkeit durch seinen Brief zuvor. Sein Bekenntnis hatte zur Folge, dass seine Akte nicht mehr publiziert wurde. So haben wir zwar sein Geständnis, aber keine Beweise. So wie wir die Erklärung der Kommission über den Kommunismus haben, ohne dass seine tatsächliche Aufarbeitung all zu weit gediehen wäre.
Nehmen wir zwei Institutionen, deren Tätigkeiten den Demokratisierungsstand Rumäniens anschaulich machen: Das Kulturinstitut „Titu Maiorescu“, eine Art Goethe-Institut, mit kulturpolitischem Imageauftrag, und das CNSAS, das die Akten des kommunistischen Geheimdienstes aufarbeiten soll, und das bei seiner späten Gründung 1999 immerhin die Gauck-Behörde zum Vorbild hatte.
Das Programm einer Tagung des rumänischen Kulturinstituts, die vergangene Woche in der Berliner Niederlassung stattfand, enthüllte leider eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Einrichtungen: Zwei der Vortragenden zum Thema „Deutschland und Rumänien. Akademische, kulturelle und ideologische Transfers“ sind notorisch bekannte, ehemalige inoffizielle Mitarbeiter, also Spitzel, der Securitate. Es handelt sich, außer dem bereits genannten Historiker Sorin Antohi, um den Germanisten Andrei Corbea-Hoisie.
Antohi fungierte sogar als einer von drei Initiatoren der Veranstaltung. Der Mann, der seine Spitzeltätigkeit so lange verheimlichen konnte, lehrte zuletzt an der Budapester Zentral-Europa-Universität, einer Soros-Gründung. Antohi war sogar im Direktorium der Stiftung. Als er seine Geschichte als Spitzel „Valentin“ preisgab, kam zutage, dass der Philosoph Horia-Roman Patapievici, der bis 2005 Mitglied des Direktoriums der Archivbehörde war, bereits seit 2002 von der geheimen Vergangenheit des Antohi wusste. Der aber zählte zum eigenen politischen Lager und so schwieg man vorerst. Patapievici ist heute der Leiter der Zentrale des rumänischen Kulturinstituts in Bukarest.
Das aber ist noch nicht die ganze Geschichte. Kurz nach der Selbst-Enttarnung Antohis kam heraus, dass er einen Doktortitel führte, den er nie erworben hatte, jedenfalls nicht an dem Ort, den er angibt, die Universität Jassy.
„Man hat in Rumänien mit der Aufarbeitung der Vergangenheit kaum begonnen und schon fällt man zurück in die kollektive Amnesie. Wenn aber die Enttarnung nur eine Pflichtübung ist und moralisch folgenlos bleibt, so ist es keine gute Zeit für die Demokratie“
Der zweite Vortragende, Andrei Corbea-Hoisie, Germanist und Herderpreisträger des Jahres 1998, Bukowina-Kenner und Celan-Exeget, war zuletzt Botschafter Rumäniens in Wien. Dort hat er, nach seinem unfreiwilligen Rücktritt vom Diplomatenposten, eine Gastprofessur inne. Der vielseitige Mann, der in den Jahren der Ceausescu-Diktatur einen Sonderstatus genoss, der ihm zahlreiche Auslandsreisen erlaubte, war ebenso für den Geheimdienst Securitate tätig. Unter dem Mitarbeiternamen „Horia“ hat er die intellektuelle Opposition in Jassy bespitzelt. Zu den Betroffenen gehört auch der prominente Literaturkritiker und Regimegegner Dan Petrescu, an dessen vom Geheimdienst betriebener Diskreditierung Corbea-Hoisie beteiligt war: Man versuchte den unbequemen Liberalen Petrescu als Rechtsextremisten zu diffamieren.
Dass die Tagung trotz der Proteste im Vorfeld, beginnend mit einem offenen Brief der Schriftstellerin Herta Müller an den Leiter der Institutszentrale in Bukarest, Horia-Roman Patapievici, von der Bespitzelungs-Thematik absehen konnte, hat nicht zuletzt mit der Einstellung der daran beteiligten deutschen Professoren zu tun, allen voran der Historiker Jörn Rüsen, dem es ein Leichtes war, nachsichtige Worte zu finden.
Man hat in Rumänien mit der Aufarbeitung der Vergangenheit kaum begonnen und schon fällt man zurück in die kollektive Amnesie. Wenn aber die Enttarnung nur eine Pflichtübung ist und moralisch folgenlos bleibt, so ist es keine gute Zeit für die Demokratie. Diese bleibt, ohne verbindliche Werte, wehrlos.
Die von Herta Müller angestoßene Debatte beschäftigt mittlerweile auch die Bukarester Medien. Das Kulturinstitut selbst betreibt dabei eine eher nichtssagende Politik der Selbstverteidigung. Sein Leiter, Horia-Roman Patapievici, redet sich zum einen mit der angeblich fehlenden gesetzlichen Handhabe heraus, zum anderen stellt er den Moralanspruch der Kritiker in Frage. „Was sollen wir, die ohne Sünde sind, mit ihnen, den Sündern, bloß tun?“ heißt es in seiner Antwort auf den Offenen Brief von Herta Müller.
„Die Spitzeltätigkeit gründete ja wohl nicht auf Überzeugung, sondern auf der Bereitschaft für persönliche Vorteile, wie Auslandsreisen und akademische Karrieren, anderen Menschen zu schaden. Das ist im übrigen die Essenz der IM-Tätigkeit. Es handelt sich dabei nicht um eine politische Aktivität, sondern um eine kriminelle Tat“
Eingemischt hat sich nun auch der Schriftsteller Mircea Cartarescu, dessen jüngst auf deutsch erschienener Roman „Die Wissenden“ von der Kritik viel Lob erhielt. Sein zur Versöhnlichkeit neigender Artikel zur Spitzelaffäre aus der Bukarester Tageszeitung „Evenimentul zilei“ enthält die Summe der Missverständnisse, die die rumänische Öffentlichkeit prägen. Cartarescu spricht in höchsten Tönen von der fachlichen Meisterschaft der beiden ehemaligen Informanten. Der eine habe ein fundamentales Buch über die Utopie verfasst, der andere sei ein großer Germanist, und sogleich folgt die Behauptung, Moral und Intellektuellenleistung gingen selten zusammen. Und dann passiert etwas Erstaunliches. Cartarescu nennt als Beispiele für seine These: Heidegger, Hamsun, Ezra Pound, Celine und Drieu la Rochelle.
Das ist ein Skandal. Ich wüsste nicht, dass auch nur einer von diesen jemals Informant der Gestapo gewesen wäre. Sie haben ihre politischen Ansichten vielmehr öffentlich geäußert, für jeden sichtbar und zugänglich. Sie haben sich gewaltig geirrt, aber sie haben sich öffentlich geirrt und mussten sich dafür auch verantworten.
Wie aber kann man sie mit Antohi und Corbea vergleichen, die ihre Tätigkeit im Auftrag eines Repressionsapparats im Geheimen und Verborgenen ausführten? Diese gründete ja wohl nicht auf Überzeugung, sondern auf der Bereitschaft für persönliche Vorteile, wie Auslandsreisen und akademische Karrieren, anderen Menschen zu schaden. Das ist im übrigen die Essenz der IM-Tätigkeit. Es handelt sich dabei nicht um eine politische Aktivität, sondern um eine kriminelle Tat.